Reinhard Süring

April 1945: der 2. Weltkrieg befindet sich in der Endphase mit Kämpfen um Berlin. Die Front erreicht am 23. April die Außenbezirke von Potsdam. Das Personal des Meteorologischen Observatoriums auf dem Potsdamer Telegraphenberg wird am 20. April abgezogen, die letzten verbliebenen Männer für den "Endkampf" zum Militär eingezogen. Die letzte Wetterbeobachtung erfolgte am 20. April um 7 Uhr. Am 24. April vormittags sprengten abziehende deutsche Truppen den Übergang über die Havel, die das Potsdamer Zentrum vom Telegraphenberg trennt. Aber vorher hat offenbar der 79-jährige Professor Reinhard Süring noch den Weg zum Observatorium gefunden und bereits am Nachmittag des 24. April wieder die Wetterbeobachtungen aufgenommen; ab 30. April dann bereits zu allen drei Klimaterminen, also noch vor der Kapitulation am 8. Mai.

Wer war dieser Reinhard Süring?

Am 15. Mai 1866 in Hamburg geboren, studierte er in Göttingen, Marburg und Berlin Mathematik und Naturwissenschaft. Noch während seiner Studienzeit als 21-Jähriger war er Assistent an der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt. Sein Interesse galt bereits damals den höheren Luftschichten. Er promovierte im Jahre 1890 mit einer Arbeit über die vertikale Temperaturabnahme in Gebirgsgegenden in ihrer Abhängigkeit von der Bewölkung . Im gleichen Jahr wurde er Assistent am Preußisch-Meteorologischen Institut in Berlin und mit Gründung des Meteorologisch-Magnetischen Observatoriums in Potsdam im Jahre 1892 auch dort.
Die erste offizielle Wetterbeobachtung der säkularen Potsdamer Beobachtungsreihe am Neujahrstag des Jahres 1893 wurde von R. Süring vorgenommen.

Unbeabsichtigt Weltrekordler

Weltweites Aufsehen fand seine Freiballon-Rekordfahrt am 31. Juli 1901, die er zusammen mit Professor Berson zu wissenschaftlichen Zwecken durchführte. Sie erreichten eine Höhe von 10800 m in einer offenen Gondel. Süring beteiligte sich zwischen 1893 und 1921 an zahlreichen wissenschaftlichen Ballon-Hochfahrten.

23 + 5 Jahre Leiter des Meteorologischen Observatoriums Potsdam

Süring leitete von 1901 an die Gewitterabteilung des Preußisch-Meteorologischen Instituts. 1909 wurde er zum Leiter des Meteorologischen Observatoriums Potsdam berufen, das er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1932 zu internationalem Ansehen führte. Aber damit nicht genug. Nachdem er, wie erwähnt, die säkulare Beobachtungsreihe nahezu lückenlos über das Kriegsgeschehen in Potsdam gerettet hatte, war er von April 1945 bis März 1950 nochmals Leiter dieses Hauses. Am 29. Dezember des selben Jahres starb Reinhard Süring, wenige Monate vor Vollendung seines 85. Lebensjahres in Potsdam.

Einer der bedeutendsten Meteorologen in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts

Unter seiner Leitung wurde das Observatorium ein Wolkenforschungszentrum von internationalem Ruf. Süring gehörte zahlreichen internationalen Kommissionen an. Er war einer der bedeutendsten deutschen Meteorologen in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seine wissenschaftlichen Leistungen liegen in der Erforschung der oberen Atmosphäre sowie in der Wolken- und Strahlungsforschung.
Für Generationen von Meteorologiestudenten war der Hann/Süring: das Lehrbuch der Meteorologie das Standardwerk.

Würdigung mit seinem Namen

Heutzutage verleiht die Deutsche Meteorologische Gesellschaft als Auszeichnung die Reinhard-Süring-Plakette, eine Tradition, die in den 60er Jahren von der Meteorologischen Gesellschaft eingeführt wurde.
Ein Verzeichnis von 154 Veröffentlichungen von Reinhard Süring findet man in der Zeitschrift für Meteorologie Band 5, Heft 5/6 (1951), Berlin

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Reinhard Süring (1941)

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Dissertation Sürings über die vertikale
Temperaturabnahme in Gebirgsgegenden
in ihrer Abhängigkeit von der Bewölkung
(1890)

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Lehrbuch der Meteorologie

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Süringplakette