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PIK Report No. 17

4. Zusammenstellung von Forschungsdesideraten

In den letzten Jahren wurden nur vereinzelt Forschungsprojekte zu Fragen der Hochwasserentstehung, einer eventuellen Verschärfung und eines effektiveren Hochwassermanagements durchgeführt. Es war daher auch ein Ziel des Rundgesprächs, den Forschungsbedarf zu definieren und notwendige Schwerpunkte zu erkennen. Im folgenden sind auf der Basis der gehaltenen Vorträge Forschungsdesiderate zum Themenkomplex Hochwasser aufgelistet.

  • Integrierte Untersuchung und Modellierung der gesamten Wirkungskette von Niederschlag über die Abflußbildung und -konzentration zum Hochwasserablauf (auch in den Überschwemmungsbereichen) bis hin zur Schadensbewertung.
    Beispielsweise ist im Bereich der Flußgebietsmodellierung eine gekoppelte und skalenorientierte Modellierung des Systems Einzugsgebiet - Ufer- und Überschwemmungsbereiche (auch Flußauen) - Gewässerlauf gefragt. Insbesondere sind auch Untersuchungen der Summenwirkung einzelner Maßnahmen auf den gesamten Fluß sowie instationäre Analysen wünschenswert.

  • Die Forschung zur Landnutzung war bisher vor allem auf die Sicherung der Ertragsfähigkeit des Bodens, ggf. bei minimalen Schadstoffeinträgen in die Gewässer, ausgerichtet. Bezüglich vorbeugender Hochwasserschutzmaß-nahmen in den Gewässereinzugsgebieten wurde z. B. zu wenig berücksich-tigt, daß die Verbesserung der hydrologischen Eigenschaften der Böden (Infiltrations- und Speicherfähigkeit) auch gleichzeitig "landeskulturell", d.h. insbesondere hochwassermindernd, wirkt.
    Häufig erfolgt auch eine rein forschungsbezogene Betrachtung von Fließgewässern, Auen, Gewässerabschnitten o. ä. unabhängig von den jeweiligen Einzugsgebietsstrukturen oder dem hydrologischen Regime. Dies ist ebenfalls hinderlich für eine adäquate Einbindung von Forschungen in Maßnahmen zur Beeinflussung von Hochwasser.

  • Im Bereich der Meteorologie sind für Belange der praktischen Anwendung besonders Niederschlagsvorhersagen für Einzugsgebiete von regionaler oder lokaler Größe wichtig. Downscaling-Verfahren sind weiter zu entwickeln und zu validieren, vor allem in Hinblick auf die Ermittlung der Häufigkeiten von Niederschlägen in Raum und Zeit. Das gilt für die Verknüpfung von Meßwerten mit Niederschlagsdaten ebenso wie für die Verknüpfung von Wetterlagen mit Niederschlagsereignissen.

  • Die Verknüpfung von Niederschlagsereignis und Hochwasserereignis benö- tigt Sensitivitätsstudien, um die gegenseitige Beeinflussung der Skalen herauszufinden. Dazu sind hydrologische und meteorologische Verfahren zu verbinden.

  • Ableitung von Szenarien für Extremwettersituationen sowohl im regionalen als auch im lokalen Maßstab auf der Basis von Szenarien der globalen Erwärmung, globaler und regionaler Klimamodelle und der Analyse des Einflusses zyklonaler Wetterlagen auf die Niederschläge in Deutschland.

  • Überprüfung und Weiterentwicklung hydraulischer Grundlagen zur Beurteilung von Eingriffen in Gewässersysteme auf der Basis neuerer flußbaulicher und auenökologischer Erkenntnisse sowie der sich mit den Extremwetterszenarien ergebenden geänderten Bemessungsgrundlagen zur Hochwasserhäufigkeit. Dazu gehören auch grundlegende Untersuchungen zum Einfluß der Morphodynamik (beispielsweise Änderungen der Gewässersohlenlage) auf den Hochwasserabfluß.

  • Erarbeitung von Methoden zur Beurteilung der Belastbarkeit unserer Flüsse. Konkurrierende Interessen von Schiffbarmachung, Landnutzung, Ökologie und Hochwasserschutz sind zu beachten. Wie wirkt sich Hochwasser auf das Verhältnis dieser Aspekte untereinander aus und wie verändert sich dadurch indirekt auch das Schadenspotential?

  • Ermittlung von Rückwirkungen und Sekundärfolgen des Hochwasserablaufs, z.B. bezüglich Ökologie, Hangrutschungen, Staudammsicherheit, Schadstoffausbreitung und Erosionsfolgen.

  • Das Schadenspotential beim Hochwasser entsteht aus der zivilisatorisch gesteuerten/regulierten Besiedelung hochwassergefährdeter Gebiete. Näher zu untersuchen sind die Zusammenhänge zwischen der Wahrnehmung und Handhabung des Risikos und den sich ergebenden Hochwasserkonsequen-zen, da die Reaktionen der Betroffenen auf das Risiko auch das Potential zur Schadensminderung bestimmen.

  • Von Interesse sind generell die gesellschaftlichen Prozesse der Wahrneh- mung, Kommunikation und Reaktion beim Umgang mit dem Hochwasserrisi-ko im Vergleich zu anderen individuellen und zivilisatorischen Risiken. Welche Rolle spielen Grenzwerte bei der Akzeptanz von Risiken?


PIK Report No. 17

webmaster@pik-potsdam.de - 24 Jun 1997