"Die Diktatur des Jetzt": Schellnhuber im Spiegel-Interview

22.03.2011 - Angesichts der nuklearen Tragödie von Japan hält Hans Joachim Schellnhuber einen neuen Gesellschaftsvertrag für nötig. Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung erklärt im Spiegel-Interview, warum die Rechte künftiger Generationen mehr Bedeutung bekommen sollten. "Wir müssen ein für alle Mal beschließen, unseren Nachkommen mehr als nur Atomgefahren und Klimawandel zu hinterlassen", sagt er. "Das bedeutet Mitgefühl über Raum und Zeit hinweg."
"Die Diktatur des Jetzt": Schellnhuber im Spiegel-Interview

Das Wohlstandsmodell der Nachkriegszeit beruhe darauf, dass billige Energie und steigender Materialumsatz die Menschen glücklichker machen sollen, so Schellnhuber. Deshalb würden Kernkraftwerke in geologisch superaktiven Gebieten gebaut, und deshalb werde heute in einem Jahr soviel Öl verbrannt, wie zuvor in 5,3 Millionen Jahren entstanden ist. "Wir plündern zugleich die Vergangenheit und die Zukunft für den Überfluss der Gegenwart - das ist die Diktatur des Jetzt."

Es koste nur wenige Prozentpunkte Wirtschaftsleistung, "von dem gefährlichen Pfad abzuweichen, der sonst zu neuen Atomunglücken und ungebremstem Klimawandel führt", sagt Schellnhuber. "Der Wohstandszuwachs bis 2100 würde nur um sechs bis neun Monate verzögert. Ist dieser Preis wirklich zu hoch?"

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen, dem Schellnhuber vorsteht, wird demnächst einen Masterplan für die gesellschaftliche Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit vorstellen. Dabei geht es auch um konkrete Maßnahmenpakete. "Beispielsweise müssen wir den Energieverbrauch auf einem sinnvollen Niveau stabilisieren", erklärt Schellnhuber. "Wenn wir in Deutschland richtig anfangen würden, die Potentiale für Energieeffizienz auszuschöpfen, dann könnten wir mit mindestens 30 Prozent weniger Energieeinsatz auskommen - ohne dass es uns materiell schlechter ginge."

(Hier der Link zum vollständigen Interview.)