Neuer Bericht des Weltklimarats IPCC zu Folgen der globalen Erwärmung

28.02.2022 - Das als Welt-Klimarat bekannte "Intergovernmental Panel on Climate Change", kurz IPCC, hat heute den 6. Sachstandsbericht seiner Arbeitsgruppe 2 veröffentlicht, zu den Folgen der globalen Erwärmung. Die Arbeitsgruppe versammelte 270 Forscherinnen und Forscher aus der ganzen Welt, die mehr als 34.000 Seiten Fachliteratur zum aktuellen Stand der Wissenschaft über die Auswirkungen der Klimaerwärmung auf unser Leben auf der Erde durchforsteten. Sie haben sich auf einen mehr als 3.000 Seiten umfassenden Bericht geeinigt, der diese Erkenntnisse zusammenfasst, sowie auf eine 36-seitige Zusammenfassung für politische Entscheidungsträgerinnen und -träger (Summary for Policy Makers, kurz SPM). Mehrere PIK-Forschende waren daran beteiligt, darunter Katja Frieler, Ko-Leiterin der Forschungsabteilung Transformationspfade. Sie ist eine Leitautorin des Berichtskapitels zu beobachteten Klimafolgen sowie Mitwirkende bei der SPM.
Neuer Bericht des Weltklimarats IPCC zu Folgen der globalen Erwärmung
Titelblatt des neuen IPCC-Berichts. (Ausschnitt, Bild: IPCC)

"Wir verlassen die Welt, wie wir sie kennen", erklärt Frieler. "Unser Bericht zeigt, dass die beobachteten Klimafolgen in allen Bereichen zunehmen. Eine globale Erwärmung von rund 1,1 Grad, das klingt nicht nach viel, aber die Auswirkungen des Klimawandels für Mensch und Natur werden immer deutlicher sichtbar. So sind unsere Treibhausgasemissionen bereits weitgehend für das beobachtete massenhafte Bleichen von Warmwasserkorallen verantwortlich, das ihre Existenz bedroht. Die Emissionen tragen zu einem vermehrten Baumsterben durch Dürren bei. Der Klimawandel führt außerdem zu weitreichenden Verschiebungen im Zeitablauf vieler Prozesse in der Natur."

Frieler weiter: "Im Vergleich zum letzten IPCC-Bericht verstehen wir heute wissenschaftlich viel besser, wie empfindlich unsere Gesellschaft gegenüber Wetterbedingungen ist. Insbesondere auch, wie sich Wetterextreme auf unsere Infrastruktur, Wirtschaft und Gesundheit auswirken. Die Zahlen sind deutlich. Aufgrund der globalen Erwärmung sterben mehr Menschen an hitzebedingten Gesundheitsproblemen. Die durch tropische Wirbelstürme verursachten Schäden werden bereits vergrößert durch den vom Menschen verursachten Anstieg des Meeresspiegels und die Verstärkung der mit den Stürmen verbundenen Niederschläge. Eine Reihe von beobachteten Dürren mit schwerwiegenden negativen Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit wurden teilweise auf die vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen. zurückgeführt.

Nochmal: All dies geschieht bereits heute, und zwar bei einer Erwärmung von nur 1,1 °C - was deutlich zeigt, dass wir den weiteren Temperaturanstieg dringend begrenzen müssen. Es geht hier nicht um Umweltprobleme, es geht um unsere eigene Sicherheit."

Hierzu auch Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Professor an der Universität Potsdam:

"Die Auswirkungen des Klimawandels nehmen schnell zu, sie treffen uns früher als erwartet, und sie betreffen mehr Menschen. Bereits eine Erwärmung von 1,5°C wird die Lebensgrundlage von Milliarden von Menschen gefährden, durch Hitzewellen, Überschwemmungen, Dürren, den Anstieg des Meeresspiegels. Dabei ist wichtig zu erkennen, dass es bei den Klimaauswirkungen nicht nur um die Temperatur geht, sondern auch um die Gesundheit der natürlichen Ökosysteme, welche die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel bestimmen. Und: Wenn Ernährungsunsicherheit, Wasserknappheit und unerträgliche Hitze auf verletzliche Gesellschaften treffen, können sie zu sozialer Instabilität beitragen, die zu einer steigenden Zahl von Vertriebenen, zu Migration und Konflikten führt.

Die Lösung der Klimakrise muss hier und jetzt erfolgen und ist unsere globale Priorität für eine sichere und gerechte Zukunft der Menschen auf der Erde. Darüber hinaus zeigt der IPCC-Bericht, dass es keine sichere Landung unter 2°C globalem Temperaturanstieg gibt, wenn wir nicht an allen planetarischen Grenzen handeln. Und zwar handeln, indem wir die Widerstandsfähigkeit der Biosphäre - Land, Wasser, Pflanzen und Tiere - sichern. Sie ist unser Lebenserhaltungssystem und unser Puffer für Klimaschocks. Wenn wir versagen, riskieren wir nicht nur massive Klimaauswirkungen, sondern lösen womöglich auch Folgen-Kaskaden aus. Kaskaden, bei denen der Zusammenbruch von Ökosystemen die Erwärmung verstärkt und zu noch größerer sozialer Instabilität führt.

Der IPCC-Bericht zeigt sehr klar: Die Zeit zum Handeln ist gekommen."

Auch Prof. Dr. Hermann Lotze-Campen, Agrarökonom, Abteilungsleiter Klimaresilienz amPIK und Professor für Nachhaltige Landnutzung und Klimawandel an der Humboldt-Universität zu Berlin ordnet den Bericht ein:

"Was Bauern weltweit auf ihren Feldern erzeugen und was wir essen, das wird zunehmend vom Klimawandel bedroht. Von Region zu Region ist das ganz unterschiedlich, und die Veränderungen kommen nicht plötzlich, sondern schleichend. Aber grundsätzlich, so der Bericht des Weltklimarats, führt die vom Menschen gemachte Erwärmung zu Schäden für die Landwirtschaft. Der Klimawandel kommt also bei uns auf den Teller.

Aufgrund einer deutlich verbesserten Datenlage können bereits heute erhebliche wirtschaftliche Schäden dem Klimawandel zugeschrieben werden. Hiervon sind regional ganz klar auch die Land- und Forstwirtschaft betroffen. Steigende Temperaturen, vermehrte Hitzewellen und Dürren behindern schon heute das Erreichen der UN-Nachhaltigkeitsziele für die Bekämpfung des Hungers wie auch der Wasserverfügbarkeit. Millionen Menschen, vor allem in Afrika, Asien und Südamerika sind klimabedingt durch verminderte Ernteerträge akut von Nahrungs- und Wasserknappheit betroffen. Klimawandel verschärft Ungleichheit, das wird mit dem Bericht klarer als je zuvor. Zum ersten Mal zeigt der Bericht auch auf, wie sich vielfältige Klimarisiken wechselweise beeinflussen. Geringere Ernteerträge in tropischen Regionen, verschärft durch eine hitzebedingt geringere Arbeitsproduktivität der ländlichen Bevölkerung, führen zu höheren Nahrungsmittelpreisen und Gesundheitsrisiken durch Mangelernährung. Darüber hinaus können wetterbedingte Extremereignisse Schockwellen im internationalen Agrarhandel auslösen. Nach 2040 können die Klimawirkungen mehrfach stärker ausfallen als wir sie heute schon beobachten. Jedes zehntel Grad Erwärmung jenseits der 1,5 Grad wird zu eskalierenden wirtschaftlichen Schäden und häufigeren regionalen Ernteausfällen führen.

Aber wir können etwas tun. Ein wirksamer Schutz von 30-50% der Flächen zu Land und zu Wasser kann helfen, nicht nur wichtige Ökosysteme zu stabilisieren, sondern auch die Nahrungsmittelversorgung zu sichern. Und: Anpassung ist wichtig, geht aber noch zu langsam voran.  Es sind erhebliche Investitionen notwendig für klimaresiliente Innovationen. Der neue Bericht zeigt hier auch viel klarer als früher mögliche Synergien auf. Stresstolerante Nutzpflanzen und -tiere, vielfältige Anbaumethoden, naturbasierte Lösungen für Schädlingsbekämpfung und Kohlenstoffspeicherung können sich gegenseitig positiv beeinflussen. Eine möglichst pflanzenbasierte Ernährung verringert die Konkurrenz um Land und Wasser und vergrößert regionale Anpassungsspielräume.

Alle Anpassung aber kann natürlich nur helfen, wenn wir zugleich den Ausstoß der Treibhausgase bis 2050 auf netto Null bringen. Ein gesunder Planet ist die Grundlage für einen klimaresilienten und nachhaltigen Entwicklungspfad. Wir haben es selber in der Hand."

Weblink zur deutschen Koordinierungsstelle des Welt-Klimarates:

https://www.de-ipcc.de/354.php

Vollständiger Bericht:

https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg2/
(auf Englisch)

Kontakt:

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