Neue Netzwerkanalyse bestätigt: #stayathome hilft, Virusmutationen zu begrenzen

16.04.2020 - In den Viruserkrankungen sowohl der regionalen Ebola-Epidemie 2013 als auch der aktuellen globalen COVID-19-Pandemie sind Virusmutationen zwischen Wirten aufgetreten - ein gängiges Phänomen mit dem Potenzial, Viren noch schädlicher werden zu lassen. Ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter anderem der Humboldt-Universität und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung hat nun komplexe mathematische Modelle eingesetzt, um diese Vorgänge zu untersuchen. Ihre Ergebnisse bestätigen die offiziellen Gesundheitsmaßnahmen wie das Aussetzen von Langstreckenreisen, aber auch die Aufforderung, zu Hause zu bleiben. Darüber hinaus unterstreichen sie, wie wichtig es ist, genetische Mutationen bei Virusausbrüchen genau zu verfolgen, um die Bewältigung von Krisen zu erleichtern.
Neue Netzwerkanalyse bestätigt: #stayathome hilft, Virusmutationen zu begrenzen

Innerhalb eines Tieres oder eines Menschen können Viren beliebig mutieren, d.h. ihre genetische Zusammensetzung verändern. Diese zufälligen Veränderungen können zu milderen oder noch schädlicheren Viren führen. Virusmutationen, die z.B. ihre Angriffskraft auf die Zellen ihres Wirts verbessern, können in der Folge unter bestimmten Umständen auch ihre Ausbreitungsmöglichkeiten verbessern. Aber nicht nur innerhalb eines Wirtes: Beobachtungen sowohl der Ebola-Epidemie in Westafrika in den Jahren 2013-2016 als auch der aktuellen COVID-19-Pandemie haben gezeigt, dass Viren sogar bei der Übertragung von Wirt zu Wirt mutieren - ein wesentlicher Faktor für die Eindämmung von Erkrankungen, der jedoch bisher von epidemiologischen Modellen kaum berücksichtigt wurde.

Forschende haben nun dieses fehlende Puzzleteil hinzugefügt: Mit den mathematischen Methoden der Netzwerkanalyse und der Evolutionsdynamik schauen sie über den einzelnen Wirt hinaus auf ganze Netzwerke von Wirten, d.h. von Menschen, die in einer Familie, einer Stadt oder einem Land leben. Sie stellen fest, dass Fernverbindungen - zum Beispiel Langstreckenflüge - die Wahrscheinlichkeit von Mutationen zwischen Wirten deutlich erhöhen: Wenn ein Mensch das Virus in ein Gebiet trägt, in dem die Zahl der Infektionen noch sehr gering ist, können sich Virusmutationen von diesem "Patienten Null" zu weiteren Patienten leichter bilden und das Virus möglicherweise immer schädlicher machen. Das liegt daran, dass es noch keine vorherrschende Virusform gibt, mit der die neue Mutation konkurrieren müsste.

Dies hat zwei Konsequenzen für die Maßnahmen des öffentlichen Gesundheitswesens: Erstens bestätigt die Analyse, dass die weitgehende Aussetzung von Fernverbindungen entscheidend ist. Aber was für große Netzwerke gilt, gilt auch im kleineren Maßstab: Wenn wir zu Hause bleiben, schränken wir unsere Kontakte auch in ihrer Reichweite ein. Es macht für die Virenbekämpfung einen Unterschied, ob alle Kontakte in einem kleinen Gebiet wie den eigenen vier Wänden erfolgen oder ob sie auf einen Markt, ein Großraumbüro oder sogar eine Stadt ausgeweitet werden. Zweitens zeigt es, dass eine genaue Beobachtung der genetischen Veränderungen während eines Ausbruchs zentral ist, um die Krisenbewältigung zu erleichtern.

Artikel: Rüdiger, S., Plietzsch, A., Sagués, F. et al. Epidemics with mutating infectivity on small-world networks. Sci Rep 10, 5919 (2020). DOI: 10.1038/s41598-020-62597-5

Weblink zum Artikel: https://www.nature.com/articles/s41598-020-62597-5

 Weitere Informationen zum Thema: Das Open-Source-Projekt Nextstrain verfolgt Mutationen von Pathogenen, unter anderem für COVID-19. Die öffentlich zugänglichen Daten werden laufend aktualisiert.