Kommentar: Wachsende planetare Risiken nach einem verlorenen Jahrzehnt

22.11.2025 - Ein neuer Kommentar, geleitet von Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), kommt zu dem Schluss, dass die Welt ein wichtiges Zeitfenster verpasst hat, um das Erdsystem innerhalb seines sicheren Handlungsraums zu halten. Die Autorinnen und Autoren zeigen, dass die Belastungen für Klima und Biosphäre weiter zunehmen. Sie betonen aber zugleich, dass eine Stabilisierung des Erdsystems weiterhin möglich ist.
Kommentar: Wachsende planetare Risiken nach einem verlorenen Jahrzehnt
Vergangene und mögliche zukünftige Entwicklungen im Erdsystem: Die Grafik zeigt, wie sich die Welt zwischen 1997, 2015 und 2025 aus einem sicheren Handlungsraum in Bereiche steigender und hoher Risiken bewegt hat. Ein „Weiter wie bisher“ würde Ökosysteme weiter schädigen und Gesellschaften unter starken Druck setzen. Mit wirksamen Strategien zum Umgang mit einem möglichen Überschreiten der 1,5-Grad-Marke könnte der globale Pfad jedoch noch auf Netto-Null bis Mitte des Jahrhunderts und Netto-negativ bis Ende des Jahrhunderts gebracht werden. Dafür müssten die weltweiten Emissionen in den nächsten fünf Jahren deutlich sinken. Bild: Screenshot aus dem Commentary / PIK

In dem Kommentar, veröffentlicht im Journal One Earth, kommen Forschende der Allianz The Earth League zu dem Schluss, dass zwischen 2015 und 2025 „zu wenig und zu spät“ gehandelt wurde: Die globale Erwärmung wird in den kommenden Jahren voraussichtlich die 1,5-Grad-Marke überschreiten, sieben der neun planetaren Belastungsgrenzen sind bereits überschritten. Zudem stockt der Fortschritt bei den globalen Nachhaltigkeitszielen: Nur 15 Prozent der Ziele der UN-Agenda für nachhaltige Entwicklung (SDGs) liegen derzeit auf Kurs für 2030.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beschreiben erste Hinweise darauf, dass das Erdsystem an Stabilität verliert. Sie machen deutlich, dass eine Rückkehr unter das 1,5-Grad-Limit, sobald es überschritten wurde, nur möglich wäre mit schnellen Emissionssenkungen, dem Ausgleich verbleibender Emissionen durch CO₂-Entnahme und dem Erhalt natürlicher Kohlenstoffspeicher. Gleichzeitig zeigt die Analyse, wie Belastungen wie Biodiversitätsverlust, veränderte Landnutzung und zunehmender Wasserstress zusammenwirken und gesellschaftliche Risiken verstärken. Um weitere Destabilisierung zu vermeiden, braucht es koordinierte Maßnahmen in Energie-, Ernährungs- und Landsystemen.

Auch einige positive Entwicklungen werden hervorgehoben: In mehreren Industrieländern – darunter den USA und der Europäischen Union – sind die CO₂-Emissionen bereits zurückgegangen oder haben ihren Höchststand erreicht. Das zeigt, dass wirtschaftliches Wachstum vom Verbrauch fossiler Brennstoffe entkoppelt werden kann. Zudem haben inzwischen über 140 Staaten und fast ein Viertel der großen Städte Netto-Null-Ziele beschlossen.

Trotz der ernüchternden Einschätzung betont der Kommentar, dass eine Stabilisierung des Erdsystems wissenschaftlich betrachtet weiterhin möglich ist. Dafür braucht es entschlossenes Handeln in den kommenden Jahren, mehr Resilienz und eine engere Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und politischen Entscheidungsträgern, um langfristig tragfähige Strategien umzusetzen: „Wenn Politik und Wissenschaft diesen Moment nutzen, können sie die internationale Zusammenarbeit zu dem Wendepunkt machen, den die Geschichte jetzt verlangt.“

Artikel:

Rockström, J., Schlosser, P., Bhowmik, A., Cremades, R., Donges, J., Dyke, J., Ebi, K., Heilemann, A., Jacob, D., Mirazo, P., Ramírez, D., Nakicenovic, N., Otto, I., Prettenthaler, F., Ranganathan, J., Schellnhuber, H., Warren, R., Wu, H., (2925): Living beyond limits: Consequences of missing the decisive decade for preserving our planet’s life-supporting systems. One Earth. [DOI: 10.1016/j.oneear.2025.10152]

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