Eisverlust in der Antarktis: Forscher entwickeln Formel

21.03.2012 - Das Eis der Antarktis ist in Bewegung. Immer wieder kommt es zu massiven Abbrüchen von Eisbergen– jetzt haben Wissenschaftler erstmals ein universelles physikalisches Gesetz für dieses Phänomen entwickelt. Es beschreibt die wichtige Rolle der Geschwindigkeit des Eises. Die Eisschelfe in den Buchten der Antarktis, wo das Eis des Festlands übergeht in Eis auf dem Ozean, behindern derzeit wie ein Korken ein beschleunigtes Abfließen der Eismassen. Die Schelfe können aber auch abrupt in einen anderen Zustand wechseln, so zeigt nun die Studie des internationalen Forscher-Teams. Große Abbrüche würden das Inlandeis erheblich rascher auf den Ozean abfließen lassen, wo es schmilzt. Damit könnte die Antarktis weltweit am vergleichsweise schnellsten zum Anstieg des Meeresspiegels beitragen.
Eisverlust in der Antarktis: Forscher entwickeln Formel

„Die Eisschelfe erweisen sich in unserer Studie als ein Kipp-Element im Erdsystem“, sagt Anders Levermann, Haupt-Autor der Studie. „Bislang war nicht klar, dass es hier sehr unterschiedliche Zustände geben kann. Unsere Analyse zeigt: Bricht am Rand zuviel ab, dann gibt es möglicherweise kein Halten mehr – die Eisfront zieht sich immer weiter zurück.“ Was im Inneren dieser Eisschelfe vor sich geht, das beschreibt die neue Formel der Forscher. Sie macht die grundlegende Dynamik der Eisschelfe fassbar, so Levermann, „obwohl oder gerade weil sie nicht alle Details darstellt“.

Das ist nicht bloß von theoretischer Bedeutung. Ein plötzlicher Rückzug etwa des Ross-Eisschelfes auf die geringste noch stabile Position würden die das Inlandeis zurückdrängenden Kräfte um mehr als 90 Prozent verringern, wie die Anwendung der Formel zeigt. „Das so genannte Kalben der Schelfe ist also ein lokales Ereignis mit möglicherweise globalen Folgen“, so Levermann. „Zunächst ist das ein völlig natürlicher Vorgang – wenn aber der der Klimawandel voranschreitet, wird dieser Vorgang verändert. Deshalb müssen wir ihn besser verstehen lernen.“

In Simulationen hat das Gesetz seine Fähigkeit bewiesen, eine realistische Abbruchkante zu errechnen. Große Abbrüche wie des Eisschelfs Larsen B vor zehn Jahren hat die Formel gut reproduziert. Dieses Schelf war zuvor 12000 Jahre lang stabil gewesen. Im Inneren der Antarktis, einem Kontinent von der Größe Europas, sind enorme Wassermassen als Eis gespeichert. Wegen der großen Kälte taut hier, anders als etwa in Grönland, nicht die Oberfläche des Eises. Dieses schmilzt erst dort, wo es ins Wasser des Ozeans gelangt – dessen Temperatur auf Dauer von der globalen Erwärmung beeinflusst wird.

 

Artikel: Levermann, A., Albrecht, T., Winkelmann, R., Martin, M.A., Haseloff, M., Joughin, I. (2012: Kinematic first-order calving law implies potential for abrupt ice-shelf retreat. The Cryosphere, 6, 273-286 [doi:10.5194/tc-6-273-2012]

 

Weblink zum Artikel