Offener Brief an den Spiegel zum Hurrikan Katrina

Potsdam, den 9. September 2005
Lieber Herr Traufetter,
ich war sehr überrascht über Ihren Artikel im Spiegel dieser Woche, mit der Aussage zu Hurrikanen (schon im Untertitel): "Zahl und Stärke der Hurrikane nehmen zu - doch mit der globalen Erwärmung hat das nichts zu tun".
Dies ist eine Aussage, die klar dem Stand der Forschung widerspricht, und sicher so von keinem seriösen Klimatologen gemacht würde. Denn auch wenn endgültige Beweise fehlen, sprechen die Klimadaten stark dafür, dass die Zunahme der Intensität von Hurrikanen sehr wohl von der globalen Erwärmung beeinflusst sein könnte.
- Dass wärmere Meerestemperaturen zu stärkeren Hurrikanen führen ist vielfach sehr gut belegt und wird bei der Vorhersage routinemäßig berücksichtigt.
- Die Meerestemperaturen in den Tropen sind deutlich angestiegen, im Mittel um ein halbes Grad, also um einen Betrag, der in etwa der anthropogenen globalen Erwärmung entspricht.
- Ein natürlicher Zyklus im Atlantik kann teilweise den dortigen, überdurchschnittlichen Anstieg der Meerestemperaturen erklären (Goldenberg et al., Science, 2000) - dieser Zyklus kann aber weder erklären, wieso die Temperaturen dort jetzt höher sind als je zuvor seit Beginn der Messungen (und als im letzten Maximum dieses Zyklus um 1950), noch kann er den Anstieg im Pazifik erklären.
- Die Daten zeigen einen Anstieg der Hurrikanenergie weltweit auf nie dagewesene Werte, parallel zur Erhöhung der Meerestemperatur (Emanuel, Nature, 2005).
- Die Hurrikan-Vorhersagemodelle zeigen einen Anstieg der Hurrikanstärke in Szenarien mit globaler Erwärmung (Knutson und Tuleya, Journal of Climate, 2004).
Ein Zusammenhang mit der globalen Erwärmung gilt daher in Fachkreisen als zumindest wahrscheinlich, auf keinen Fall kann er kategorisch ausgeschlossen werden.
Forscht man näher nach, woher die o.g. gegenteilige Kernaussage Ihres Artikels stammt, so handelt es sich offenbar um ein angebliches Zitat von Roger Pielke Jr. Dies wirft zunächst die Frage auf, weshalb der Spiegel einen Politologen ohne naturwissenschaftliche Ausbildung zum Kronzeugen für eine naturwissenschaftliche Frage beruft (und ihn lediglich als "Klimaexperten" vorstellt), statt einen Klimatologen. Weiter stelle ich fest, dass Pielke auf der Website www.reaclimate.org öffentlich sagt, dass er voll mit der von mir und mehreren anderen Klimatologen dort publizierten fachlichen Einschätzung übereinstimmt - also z.B. mit unserer Aussage:
> "the available scientific evidence indicates that it is likely that global warming will make - and possibly already is making - those hurricanes that form more destructive than they otherwise would have been."
Ich habe zur Klärung dieses Widerspruchs Pielke das Zitat aus Ihrem Spiegel-Artikel vorgelegt, und er sagt, er sei von Ihnen falsch zitiert worden. Er habe keinesfalls gesagt, dass die Zunahme der Hurrikan-Stärke nichts mit der globalen Erwärmung zu tun hat.
Ich finde es mehr als nur bedauerlich, wenn ein wichtiges Leitmedium wie der Spiegel in einer derart bedeutsamen Frage wissenschaftlich unhaltbare Behauptungen verbreitet. Es handelt sich ja nicht um ein rein akademisches Problem - nur eine nüchterne und korrekte Analyse der Ursachen kann dazu beitragen, weiteres Leid bei künftigen Katastrophen zu vermeiden.
Mit freundlichen Grüßen,
Prof. Stefan Rahmstorf
Zum Hintergrund:
Am 5.9.2005 publizierte der Spiegel eine Geschichte von Gerald Traufetter mit dem Titel:Achterbahn der Monsterstürme. Zahl und Stärke der Hurrikane nehmen zu - doch mit der globalen Erwärmung hat das nichts zu tun.
Im Text heisst es (nach einem weiteren Zitat des US-Politologen Roger Pielke Jr.):
Die vom Menschen verursachte globale Erwärmung habe mit dem zunehmenden Sturm-Chaos zunächst einmal nichts zu tun. "Ein Zusammenhang zwischen Treibhauseffekt und Hurrikanen ist bislang nicht bewiesen", sagt Pielke.