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Erdsystemanalyse und Astrophysik

Physik in unserer Zeit, 33. Jahrgang 2002, Nr.3, S.122-128.

 

Spezial: Kosmologie

 

Auf der Suche nach einer zweiten Erde

 

Christine Bounama, Werner von Bloh, Siegfried Franck

 

 

Die Entdeckung extrasolarer Planeten hat der Frage nach prinzipiell bewohnbaren Planeten außerhalb unseres Sonnensystems eine neue Qualität verliehen. Mit Computermodellen ist es möglich, Ausdehnung und zeitliche Entwicklung der bewohnbaren Zone um die Sonne zu simulieren. Dieses Konzept ist auf extrasolare Planetensysteme übertragbar, um die Zahl der bewohnbaren Planeten in der Milchstraße abzuschätzen.

 

 

In der modernen Physik wird der Planet Erde als ein sich entwickelndes, offenes System mit Selbstregulationsprozessen betrachtet. Den externen Haupteinfluss auf das Erdsystem hat die Entwicklung der Sonne mit einer derzeitigen Leuchtkraft von 3,853·1026 W und einer effektiven Temperatur von 5770 K. Intern wird das System durch die thermische Entwicklung der festen Erde bestimmt. 

 

Als Sonne und Erde vor 4,6 Milliarden Jahren entstanden, herrschten ganz andere Systembedingungen: Die solare Leuchtkraft war etwa 30% geringer und der Erdmantel etwa 250 K heißer. Nimmt man an, dass die Zusammensetzung der Erdatmosphäre und die planetare Albedo (Rückstreuvermögen) ähnlich wie heute waren, dann müsste die Oberflächentemperatur bis vor etwa zwei Milliarden Jahren ständig unter 0°C gelegen haben. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass bereits vor 4,3 Milliarden Jahren flüssiges Wasser an der Erdoberfläche existiert hat.

 

Lösen lässt sich dieses so genannte „Paradoxon der anfänglich schwachen Sonne“, wenn man annimmt, dass die Erde selbst regulierend auf die ständig wachsende Leuchtkraft der Sonne reagiert. Über sehr lange Zeiträume stabilisiert das Erdsystem die Oberflächentemperatur in einem Bereich, der das Auftreten von flüssigem Wasser ermöglicht. Flüssiges  Wasser ist die notwendige Voraussetzung für die Entstehung und den Fortbestand von kohlenstoffbasiertem Leben, wie wir es kennen. Wie aber laufen solche Selbstregulationsprozesse ab? Welche globalen Zyklen sind für sie verantwortlich? Gibt es Grenzen, die das System zusammenbrechen lassen? Wenn ja, wann wird es auf der Erde soweit sein, dass unsere Biosphäre ausstirbt? Antworten auf diese Fragen gibt die Erdsystemanalyse.

 

Erdsystemmodellierung

 

Die moderne Erdsystemanalyse studiert sowohl das komplexe Verhalten der Ökosphäre als auch den sogenannten menschlichen Faktor [1]. Die Erde wird als ein wechselwirkendes System aus verschiedenen Komponenten oder Sphären mit sich selbst regulierenden Eigenschaften betrachtet. Bei den hier vorgestellten Untersuchungen wollen wir uns auf die sehr langen (geologischen) Zeitskalen der Ökosphäre beschränken und betrachten ein Erdsystem, das aus den Komponenten feste Erde, Hydrosphäre, Atmosphäre und Biosphäre besteht. Das Modell koppelt die zunehmende Sonnenleuchtkraft, die Verwitterungsrate der Silikatgesteine und die globale Energiebilanz. So ist es möglich, den CO2-Partialdruck in der Atmosphäre und im Boden, die mittlere globale Oberflächentemperatur und die Bioproduktivität als Funktionen der Zeit zu berechnen. Der wesentliche Punkt dabei ist das langskalige Gleichgewicht (>105 Jahre) im CO2-Haushalt der Atmosphäre. Dieses Gas entweicht aus dem Erdinnern durch geodynamische Prozesse und wird von der Atmosphäre aufgenommen. Durch Verwitterung wird der Atmosphäre CO2 wieder entzogen und durch Subduktionsprozesse dem Erdinnern zugeführt. Die wesentlichen Komponenten des Modells werden im Folgenden beschrieben.

 

Das Klima

Das Klima wird durch die Energiebilanz zwischen Ein- und Ausstrahlung bestimmt. Die Oberflächentemperatur als globaler Mittelwert ist dabei das Ergebnis eines räumlich nulldimensionalen Klimamodells. Die Größe der Einstrahlung hängt von der globalen mittleren Albedo und der Solarkonstante ab, während die Größe der Ausstrahlung durch die effektive (Schwarzkörper-) Strahlung der Erde und die natürliche Treibhauserwärmung bestimmt wird.

 

 

Abb. 1: Der globale Kohlenstoffkreislauf [3]. Je höher die mittlere globale Oberflächentemperatur ist, desto mehr CO2 wird durch die Verwitterung chemisch aus der Atmosphäre gebunden, zum Ozean transportiert, dort abgelagert und in den Mantel subduziert. Da an mittelozeanischen Rücken und Vulkanen an Subduktionszonen Kohlenstoff wieder freigesetzt wird und sich in der Atmosphäre ansammeln kann, ist der CO2-Gehalt der Atmosphäre durch Rückkopplungsprozesse regulierbar.

 

 

Die Sonnenleuchtkraft

Im Laufe der Erdgeschichte hat sich die Leuchtkraft der Sonne um knapp 10 % pro eine Milliarde Jahre erhöht. Diese Entwicklung wird sich in den nächsten fünf Milliarden Jahren fortsetzen. Dieser Anstieg resultiert aus der wachsenden Wasserstoff-Verbrennungsrate während der Hauptreihen-Entwicklungsphase der Sonne. Ein Stern befindet sich in dieser Phase, wenn er sich im hydrostatischen Gleichgewicht befindet und in seinem Innern eine stabile Kernfusion läuft. Wie sich die Leuchtkraft eines Sterns in Abhängigkeit von seiner Masse entwickelt, lässt sich mit heutigen Sternentwicklungsmodellen berechnen (Abbildung 2). Die Ergebnisse für die Leuchtkraft als Funktion der effektiven Strahlungstemperaturen werden in einem Hertzsprung-Russell-Diagramm dargestellt (s. „Das Hertzsprung-Russell-Diagramm“, S. 127) und gehen in die Berechnung des Klimamodells ein.

 

 

Abb.2: Hertzsprung-Russell-Diagramm für Sterne mit 0,8 bis 2,5 Ms [2]. Es wird nur die Entwicklung auf der Hauptreihe dargestellt. Die aufeinander folgenden Punkte der massenspezifischen Kurven stellen Zeitschritte von einer Milliarde Jahre dar. Der heutige Entwicklungsstand unserer Sonne ist durch einen roten Punkt hervorgehoben.

 

Der Kohlenstoffkreislauf

Der Kohlenstoffkreislauf ist der Hauptprozess bei der Regulierung der Zusammensetzung der Atmosphäre und damit des Klimas bei zunehmender Sonneneinstrahlung. Dabei spielt der geochemische Karbonat-Silikat-Kreislauf zwischen der Atmosphäre, dem Ozean und den Kontinenten eine wichtige Rolle. Auf geologischen Zeitskalen darf jedoch der Erdmantel als Senke und Quelle für Kohlenstoff nicht vernachlässigt werden. Deshalb betrachten wir den globalen Kohlenstoffkreislauf (Abbildung 1), der als zusätzliche Prozesse die Subduktion (in der Plattentektonik Abtauchen einer Platte) großer Mengen Kohlenstoffs in den Mantel und die Entgasung von Kohlenstoff aus dem Mantel an mittelozeanischen Rücken enthält.

 

Die Verwitterung

Die Verwitterung spielt eine wichtige Rolle für das Klima der Erde, weil sie die Hauptsenke für das atmosphärische CO2 darstellt.  Der Gesamtprozess der Verwitterung umfasst die chemische Reaktion der Silikate mit CO2, den Transport der Reaktionsprodukte und die Ablagerung der Karbonate als Sedimente. Aus diesen Teilprozessen kann man eine implizite Gleichung für die globale mittlere Verwitterungsrate aufstellen.

 

Die Bioproduktivität

Auch die Bioproduktivität spielt eine bedeutende Rolle. Sie kennzeichnet die Menge an Biomasse, die durch Photosynthese pro Zeiteinheit und pro Kontinentflächeneinheit  erzeugt wird. Sie ist eine Funktion verschiedenster Parameter wie dem Wasserangebot, der photosynthetisch aktiven Einstrahlung, dem Nährstoffangebot, dem atmosphärischen CO2-Gehalt und der Oberflächentemperatur. Für unser Erdsystemmodell betrachten wir nur die Abhängigkeit von den letzten beiden Faktoren. Durch die biologische Aktivität wird der CO2-Gehalt im Boden erhöht und damit die Verwitterung verstärkt.

 

Die Geodynamik

Auf sehr langen Zeitskalen kann man ein geodynamisches Gleichgewicht für den globalen Kohlenstoffkreislauf zwischen der atmosphärischen CO2-Senke und der Quelle aus dem Erdmantel ansetzen. Wendet man diese Bilanz an, so führt dies zu einer Abhängigkeit der Verwitterungsrate von der Kontinentfläche und der Spreading-Rate. Das ist die Rate, mit der sich der Ozeanboden bildet und ausbreitet. Die Kontinentfläche wird aus Kontinentwachstumsmodellen bestimmt, die entweder theoretisch abgeleitet oder, belegt durch geologische Befunde, aufgestellt wurden. Die Spreading-Rate kann man entsprechend der Grenzschichttheorie der Konvektion als Funktion des mittleren globalen Mantelwärmeflusses bestimmen. Letzterer ist das Ergebnis aus so genannten parametrisierten Konvektionsmodellen für die thermische Entwicklung der Erde (s. „Parametrisierte Konvektionsmodelle“, S. 127).

 

Abbildung 3 zeigt unser komplettes Erdsystemmodell.

 

 

Abb. 3: Modell für ein Erdsystem mit den unterschiedlichen Wechselwirkungen und Rückkopplungen.

 

 

Die bewohnbare Zone

 

Für die bewohnbare Zone um einen Zentralstern gibt es verschiedene Definitionen. Im Allgemeinen bezeichnet man damit jenen Abstandsbereich, in dem ein erdähnlicher Planet moderate Oberflächentemperaturen besitzt, die für höhere Lebensformen notwendig sind. Das ist eindeutig mit der Existenz flüssigen Wassers verbunden.

 

In den 70-er und 80-er Jahren berechnete man die Entwicklung einer terrestrischen Atmosphäre für verschiedene Abstände zur Sonne [6]. Dabei fand man heraus, dass die bewohnbare Zone zwischen einem „runaway greenhouse“ (galoppierender Treibhauseffekt: zu heiß) und einem „runaway icehouse“ (ein sich selbst verstärkender Abkühlungsprozess: zu kalt) sehr eng war. Bezeichnet man den mittleren Abstand Erde-Sonne mit einer Astronomischen Einheit (1 AE), so durfte ein Planet nicht weniger als 0,958 und nicht mehr als 1,004 AE von der Sonne entfernt sein.

 

Allerdings wurden in diesen Rechnungen die negativen Rückkopplungsprozesse zwischen atmosphärischem CO2-Gehalt und mittlerer globaler Oberflächentemperatur vernachlässigt. Neuberechnungen in den 90-er Jahren, die diesen Effekt berücksichtigten, zeigten, dass die innere Grenze bei 0,84 AE zwar nahezu unverändert bleibt, die äußere aber merklich auf 1,77 AE hinaus geschoben wird [7]. Diese Rechnungen wurden nicht nur für Sterne des Spektraltyps G2, zu dem unsere Sonne gehört, sondern auch für andere Hauptreihensterne ausgeführt (siehe z.B. [8]).

 

Ausgehend von unserem Erdsystemmodell kann man die bewohnbare Zone aber auch folgendermaßen definieren: Die bewohnbare Zone für einen erdähnlichen Planeten ist die Region um einen Stern, in der die Oberflächentemperatur  zwischen 0 °C und 100 °C liegt und der atmosphärische CO2-Partialdruck über 10-5 bar beträgt. Diese Bedingungen bedeuten nichts anderes, als dass der erdähnliche Planet die Voraussetzungen für photosynthetisch-basiertes Leben aufweist und Bioproduktivität vorhanden ist. Erdähnlich heißt hier aber auch, dass Plattentektonik als Voraussetzung für das Funktionieren des globalen Kohlenstoffkreislaufs auf dem Planeten vorhanden sein muss.

 

 

Abb. 4: Zeitliche Entwicklung der bewohnbaren Zone für einen erdähnlichen Planeten in unserem Sonnensystem. Noch vor einer Milliarde Jahren erstreckte sich die bewohnbare Zone über die Marsregion hinaus. In etwa 1,5 Milliarden Jahren verschwindet die Zone vollständig [9].

 

 

Die Ergebnisse für die Berechnung der bewohnbaren Zone in unserem Sonnensystem sind in Abbildung 4 für drei verschiedene Zeitpunkte (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) zusammengefasst. Dabei wird deutlich, dass das Band in Zukunft immer schmaler wird, bis es in etwa 1,5 Milliarden Jahren ganz verschwindet. Die äußere Grenze der bewohnbaren Zone wird dadurch bestimmt, dass selbst ein hoher CO2-Gehalt der Atmosphäre nicht ausreicht, um über den Treibhauseffekt die geringe solare Einstrahlung so zu kompensieren, dass die globale Oberflächentemperatur auf über 0 °C ansteigen kann. Die innere Grenze wird durch zwei Effekte geprägt. Zum einen kann durch die starke solare Einstrahlung die Oberflächentemperatur 100 °C überschreiten und zum anderen kommt durch Selbstregulationsprozesse zu wenig CO2 in die Atmosphäre, so dass Photosynthese nicht mehr möglich ist. Schon in 500 Millionen Jahren wird unsere Erde aufgrund des zuletzt genannten Effektes, also aufgrund des geringen atmosphärischen CO2-Gehaltes, die bewohnbare Zone verlassen und die auf Photosynthese basierende Biosphäre aussterben.

 

Es ist aber auch erkennbar, dass sich ein Planet wie die Erde an der Stelle der Venus nie in der bewohnbaren Zone befunden hätte, wohl aber an der des Mars, und zwar noch bis vor etwa 500 Millionen Jahren. Mars selbst ist jedoch kleiner als die Erde. Deshalb klingen viele Prozesse, die durch die innere Dynamik bestimmt werden, wesentlich schneller ab. Trotzdem könnte man die genannten Ergebnisse als obere Grenze für die Bewohnbarkeit des Mars ansetzen. Untersuchungen, die ein feuchtes und wärmeres Klima für die Frühzeit des annehmen, und Beobachtungen, die mit dem Auftreten von Plattentektonik in Zusammenhang stehen könnten, weisen in diese Richtung.

 

Auf der andere Seite gibt es Theorien darüber, dass der Sonnenwind die Marsatmosphäre weggeblasen hat und dass ein ursprünglich vorhandenes magnetisches Dipolfeld vor vier Milliarden Jahren verschwunden ist. Da sich dies so kurze Zeit nach der Bildung des Mars ereignet haben soll, ist es sehr unwahrscheinlich, dass sich komplexes Leben auf dem Mars entwickeln konnte.

 

 

 

Abb. 5: Die zeitliche Entwicklung der bewohnbaren Zone (grüner Bereich) für einen erdähnlichen Planeten, der um drei unterschiedlich massereiche Sterne kreist [3].

 

 

Dieselbe Art von Untersuchungen läßt sich auf andere Sterne übertragen. Die Entwicklung der bewohnbaren Zone für erdähnliche Planeten ist in Abbildung 5 für drei unterschiedlich massereiche Zentralsterne dargestellt. Dabei wird deutlich, dass für die beiden leichteren Sterne (0,8 und 1,0 Ms) die bewohnbare Zone dann vollständig verschwindet, wenn die maximale Überlebensspanne der Biosphäre erreicht ist, wohingegen das Ende der Wasserstoffverbrennung auf der Hauptreihe die Ursache für das Verschwinden der bewohnbaren Zone um den massereicheren Stern (1,2 Ms) ist.  Prinzipiell ist die bewohnbare Zone durch folgende Effekte begrenzt:

 

  • Die Verweilzeit des Sterns auf der Hauptreihe verringert sich stark mit seiner Masse. Für Sterne mit mehr als 2,2 Sonnenmassen (Ms) beträgt die Wasserstoff-Verbrennungsphase weniger als 0,8 Milliarden Jahre (Gebiet I). Da aber ein erdähnlicher Planet etwa diese Zeit in der bewohnbaren Zone verweilen muss, um Leben zu entwickeln, kann man Sterne mit mehr als 2,2 Ms bei der Berechnung der bewohnbaren Zone ausschließen.
  • Wenn ein Stern die Hauptreihe verlässt und zum Rotem Riesen wird, verschwindet die bewohnbare Zone für erdähnliche Planeten in seiner Umgebung (Gebiet II). Dieser Effekt bezieht sich auf Sterne im Massebereich von 1,1 bis 2,2 Ms. Bei der Sonne geschieht dies nach etwa zehn Milliarden Jahren.
  • Für Sterne mit einer Masse zwischen 0,6 und 1,1 Ms (Gebiet III) ist die maximale Überlebensspanne der Biosphäre ausschließlich durch die Geodynamik bestimmt. Die maximale Überlebensdauer der Biosphäre beträgt hier 6,5 Milliarden Jahre. Nach dieser Zeit existiert keine bewohnbare Zone mehr im extrasolaren Planetensystem.
  • Bei massearmen Sternen unterhalb von 0,6 Ms (Gebiet IV) setzt ein interessanter Effekt ein. Die bewohnbare Zone ist dann so nahe am Stern, dass Rotation durch die auftretenden Gezeitenkräfte gebunden wird. Das heißt, der Planet wendet dem Stern immer die selbe Seite zu. Klimamodelle für Planeten mit gebundener Rotation haben gezeigt, dass sie nicht grundsätzlich unbewohnbar sein müssen. Diese Fälle sind aber noch umstritten.

 

Als Beispiel ist in Abbildung 6 die bewohnbare Zone eines erdähnlichen Planeten mit einem Abstand vom Stern von 2 AE als grüner Bereich dargestellt.

 

 

Abb. 6: Die bewohnbare Zone (grüner Bereich) eines erdähnlichen Planeten mit einem Abstand zu seinem Zentralstern von 2 AE. Der prinzipielle Bereich, in dem eine bewohnbare Zone um einen Zentralstern vorkommen kann, ist durch vier Faktoren, die unabhängig vom Abstand Stern-Planet sind, begrenzt: (I) die minimale Zeit, die Leben braucht, um sich zu entwickeln, (II) die Verweildauer des Zentralsterns auf der Hauptreihe, (III) die Geodynamik eines erdähnlichen Planeten und (IV) die gebundene Rotation. Die für das Vorkommen einer bewohnbaren Zone ausgeschlossenen Bereiche sind grau bzw. schraffiert dargestellt.

 

 

Die Zahl bewohnbarer Planeten in der Milchstraße

 

In den letzten Jahren wurden durch den Forschritt bei der Entwicklung astronomischer Messtechniken um die 80 extrasolare Planeten nachgewiesen [10]. Noch wurde kein Planet gefunden, der eine erdähnliche Größe aufweist, vielmehr handelt es sich um Riesenplaneten wie Jupiter. Einige von ihnen kreisen in sehr geringer Entfernung um ihren Zentralstern, oft in wenigen Tagen, dazu noch auf sehr exzentrischen Bahnen. In sieben extrasolaren Planetensystemen befinden sich mindestens zwei Planeten. In absehbarer Zeit ist damit zu rechnen, dass auch erdähnliche Planeten, die um einen sonnenähnlichen Stern kreisen, entdeckt werden.

 

Mit Hilfe der Modelle für bewohnbare Zonen kann man abschätzen, wie viele bewohnbare erdähnliche Planeten es in unserer Milchstraße geben könnte und auf wie vielen von ihnen vielleicht schon primitives Leben entstanden ist.

 

Schon 1961 veröffentlichte Frank Drake, er ist heute Vorsitzender des Beirats des SETI-Instituts in Mountain View, Kalifornien, eine nach ihm benannte Gleichung, mit deren Hilfe man die Zahl technischer Zivilisationen abschätzen kann, die in unserer Milchstraße existieren (s. „Die Drake-Gleichung“, S. 125). Sie lässt sich auf die Frage anwenden, wie groß die Zahl NCIV der Zivilisationen in der Milchstraße ist, deren Radiosignale wir empfangen könnten:

 

NCIV = NMW · fP · nCHZ · fL · fCIV · δ.

 

Hierin bedeuten: NMW die Gesamtzahl der Sterne in unserer Milchstraße, fP der Anteil der Sterne mit erdähnlichen Planeten, nCHZ der mittlere Anteil von Planeten pro System, die bewohnbar sind, fL der Anteil von bewohnbaren Planeten, auf denen Leben auftritt und sich eine global agierende Biosphäre entwickelt hat (wir nennen diese Planeten Gaias), fCIV der Anteil von Gaias, auf denen sich technische Zivilisationen als Form intelligenten Lebens entwickeln und δ das mittlere Verhältnis der Lebensdauer einer Zivilisation zur Lebensdauer von Gaia. Allerdings sind einige der Faktoren hoch spekulativ. Abhängig davon, ob man eher pessimistische oder optimistische Annahmen macht, erhält man entweder gar keine Kandidaten oder eine überraschend große Zahl.

 

An dieser Stelle wird deutlich, dass insbesondere die beiden letzten Faktoren, fCIV und δ, sehr ungewiss sind. Es gibt einfach keine Informationen darüber, wie der typische evolutionäre Weg des Lebens aussieht oder wie groß die charakteristische Überlebensdauer einer kommunizierenden Zivilisation ist.  Für die Erde kann man feststellen, dass die typische Überlebensdauer hoch entwickelter Zivilisationen immer durch zunehmende Umweltzerstörung und durch maßlose Ausbeutung der natürlichen Ressourcen begrenzt war. Die Entwicklung und Anwendung neuer Technologien könnte mit neuen Gefahrenpotenzialen verbunden sein, die letztendlich die Existenz solcher Hochkulturen in Frage stellen. Die Überlebensdauer einer kommunizierenden Zivilisation δ wäre vielleicht auf einige hundert Jahre begrenzt – diese Zahl entspricht aber nicht einmal einer fundierten Vermutung.

 

Der Faktor fL hingegen scheint durch die Theorie der Geophysiologie und durch Beobachtungen abschätzbar zu sein. Die verbleibenden drei Faktoren sind heute wissenschaftlich hinreichend genau belegbar. Die ersten vier Faktoren der Drake-Gleichung liefern eine Zahl, die man mit NGaia bezeichnen könnte und die angibt, wie viele Planeten in der Milchstraße existieren, die eine global agierende Biosphäre (zumindest eine niedere) aufweisen. Um NGaia auszurechnen, werden folgende Ansätze gemacht:

 

  • Die Gesamtzahl der Sterne in der Milchstraße ist relativ gut bekannt, wir verwenden hier einen Wert von 4·1011. Diese Zahl könnte aber für unsere Berechnung zu groß sein. Neueste Erkenntnisse zeigen, dass sich nicht in allen Bereichen der Milchstraße bewohnbare Planeten befinden können. Nahe des Zentrums der Galaxie kommt es zu exogenen Störungen, die alles Leben vernichten würden (z. B. Supernovae, Gammastrahlen-Ausbrüche, Kometeneinschäge). In den Außenbereichen der Milchstraße ist die chemische Zusammensetzung der Sterne so verändert, dass eine Planetenbildung wegen eines zu geringen Anteils an schweren Elementen unwahrscheinlich ist [11]. Diese Effekte sind bisher aber nur qualitativ erforscht und gehen deshalb in die Berechnung vorerst nicht ein.

 

  • Auf Grundlage der derzeitigen Genauigkeit der Methoden zur Suche nach extrasolaren Planeten können nur Riesenplaneten nachgewiesen werden. Man schätzt, dass ungefähr 5 % aller sonnenähnlichen Sterne, die beobachtet wurden, solche Riesenplaneten aufweisen. Die Anzahl der Sterne, um die erdähnliche Planeten kreisen, lässt sich nur durch theoretische Betrachtungen abschätzen. Dazu vergleicht man Sternbildungsraten mit Bildungsraten von erdähnlichen Planeten auf der Basis der Metallizität (Anteil von Elementen, die schwerer als Wasserstoff und Helium sind) ihres Sterns. Seit die Sonne entstanden ist, lag der Quotient aus Planeten- und Sternbildungsrate immer zwischen 0.010 und 0.014 [12, 3]. Im Rahmen einer konservativen Abschätzung wählen wir deshalb einen Wert von 0.01 für fP.

 

·        Der mittlere Anteil erdähnlicher Planeten pro System, die sich in der bewohnbaren Zone befinden, kann mit Hilfe unserer Modelle berechnet werden. Dazu sind bestimmte Voraussetzungen notwendig. Die Planeten sind entsprechend einer logarithmischen Skale gleichmäßig verteilt, eine Annahme, die in guter Übereinstimmung mit unserem Sonnensystem ist und nicht im Widerspruch zu den bereits entdeckten extrasolaren Planetensystemen steht. Die Häufigkeit von Sternen im Massebereich zwischen 0,4 und 2,2 Ms folgt einem Potenzgesetz (~M-2.5). Sterne verschiedenen Alters sind gleich verteilt. Die mittlere Anzahl von Planeten pro Planetensystem beträgt 10, wobei die innere Grenze des Planetensystems bei 0,1 AE und die äußere bei 20 AE angenommen wird. Unter diesen Voraussetzungen erhält man für den mittleren Anteil bewohnbarer Planeten pro System nCHZ = 0,012, also kommt in einem von hundert Systemen ein bewohnbarer Planet vor.

 

  • Die Größe des Anteils bewohnbarer Planeten, auf denen Leben entsteht und sich eine Biosphäre entwickelt, ist heute ein Forschungsschwerpunkt und wird kontrovers diskutiert. Einige Wissenschaftler glauben, dass sich niederes Leben sehr schnell bilden kann, sofern flüssiges Wasser, Kohlenstoff und einige Nährstoffe auf einem Planeten vorhanden sind. Diese Behauptung würde zu einem Wert für fL von 1 führen. Das ist äquivalent zu der Aussage: Wenn die Voraussetzungen für das Auftreten von Leben gegeben sind, dann tritt es auch auf. Andere Wissenschaftler behaupten, dass fL eine extrem kleine Zahl ist. Wir wählen für fL einen Wert von 0,01.

 

Das Einsetzen der Werte für die ersten drei Faktoren führt zu fast 50 Millionen bewohnbaren Planeten. Mit fL =  0,01 ergibt sich hieraus eine halbe Million erdähnlicher Planeten in der Milchstraße, die zumindest niederes Leben im globalen Rahmen entwickelt haben. Diese beiden Werte entsprechen dem derzeitigen Stand der Forschung, sind aber eher als wissenschaftlich fundierte Vermutungen zu betrachten.

 

Es gibt aber eine Reihe von Faktoren, welche diese Zahl noch verkleinern. So scheint das Vorhandensein eines großen Mondes notwendig zu sein. Computersimulationen belegen, dass ein solcher Trabant die Rotationsachse seines Planeten stabilisiert und verhindert, dass diese um große Winkelbereiche schwankt. Mehr noch ist die Bewohnbarkeit eines Planeten von einer stabilen Umlaufbahn abhängig. Das Vorhandensein eines äußeren Riesenplaneten ist wichtig, um den erdähnlichen Planeten vor großen Kometen abzuschirmen und kleinere Körper so abzulenken, dass sie als Lieferanten für flüchtige Stoffe wie Wasserstoff, für den Planeten dienen. Andere kosmische Ereignisse können diese Zahl ebenfalls reduzieren. Ein Beispiel dafür wäre das Auslöschen der Biosphäre durch große Einschläge von Kometen oder Asteroiden, riesige Gammastrahlen-Ausbrüche des Zentralsterns oder so genannte Superflares, große Eruptionen auf dem Stern.

 

Die Suche nach extraterrestrischer Intelligenz, SETI, ist mit der grundlegenden Frage verbunden, ob wir allein im Universum sind. Erste Hinweise liefert die Lösung der Drake-Gleichung, wobei die Quantifizierung der beiden letzten Faktoren noch aussteht. Falls intelligentes Leben ein allgemeines Ergebnis Darwinscher Evolution ist, sollte der Wert für fCIV nicht allzu klein sein. Der letzte Faktor δ ist besonders schwer bestimmbar. Wenn die Überlebensdauer einer Zivilisation durch die Zeitspanne zwischen der Entdeckung elektromagnetischer Wellen und dem Potenzial, sich selbst zu zerstören (für die Erde sind das ungefähr 100 Jahre!), bestimmt ist, dann wäre δ sehr klein. Deshalb könnte die Zahl der Zivilisationen, deren Radiosignale wir empfangen könnten, winzig sein, wenn auch nicht Null.

 

Bis heute ist die Möglichkeit, extraterrestrische Intelligenz zu finden, nur sehr schwer einzuschätzen. In diese Richtung weist auch die von Ward und Brownlee aufgestellte Rare-Earth-Theorie [13]. Danach dürfte einfaches Leben wie Mikroben im Universum weit verbreitet, multizelluläre, tierähnliche Lebensformen hingegen äußerst rar sein. Dennoch werden die nächsten Jahre spannende Ergebnisse über extrasolare Planetensysteme und die Einschätzung ihrer Bewohnbarkeit liefern. Astrobiologie wird sich als  Forschungsschwerpunkt etablieren. Und vielleicht können wir irgendwann einmal die berühmte Frage von Enrico Fermi, die er am Beginn des Atomzeitalters gestellt hat, beantworten: Wo sind sie?

 

Zusammenfassung

 

Um extrasolare Planetensysteme zu untersuchen, müssen wir zuerst unser eigenes Sonnensystem verstehen. Die Erdsystemanalyse gibt uns Hinweise darauf, wie sich ein erdähnlicher Planet unter dem Einfluss eines sich verändernden Sterns verhält und welche Selbstregulationsprozesse zur Stabilisierung seiner Bewohnbarkeit ablaufen. Dabei spielt die Geodynamik eine entscheidende Rolle. Die Definition der bewohnbaren Zone ist eng mit den Bedingungen für das Auftreten von Leben, so wie wir es kennen, verbunden. Die Existenz von flüssigem Wasser ist der zentrale Punkt. Ausgehend von den Ergebnissen für ein virtuelles Erdsystem, könnten sich in unserer Milchstraße etwa 50 Millionen bewohnbare Planeten befinden.

 

 

Literatur

 

[1] H.-J. Schellnhuber, Nature 1999, 401 Supp., C19.

[2] S. Franck et al. J. Geophys. Res. 2000, 105/E1, 1651.

[3] S. Franck et al. Naturwissenschaften 2001, 88, 416.

[4] S. Franck, C. Bounama, Phys. Earth Planet. Inter. 1995, 92, 57.

[5] S. Franck, C. Bounama, Adv. Space Res. 1995, 15(10), 79.

[6] M. H. Hart, Icarus 1979, 37, 351.

[7] J. F. Kasting, D. P. Whitmire, R. T. Rexnolds, Icarus 1993, 101, 108.

[8] L. R. Doyle (Hrsg.), Circumstellar habitable zones: proceedings of the first international conference, Travis House, Menlo Park, 1996.

[9] S. Franck et al. Tellus 2000, 52B, 94.

[10] J. Schneider The Extrasolar Planets Encyclopaedia http://www.obspm.fr/encycl/encycl.html

[11] G. Gonzalez, D. Brownlee, P Ward, Icarus 2001, 152, 185.

[12] C. H. Lineweaver, Icarus 2001, 151, 307.

[13] P. D. Ward, D. Brownlee, Rare Earth, Copernicus (Springer), New York, 2000.

 

 

Internet

 

Extrasolare Planeten

http://www.obspm.fr/encycl/encycl.html

 

SETI-Institut

http://www.seti.org

 

NASA-Institut für Astrobiologie

http://nai.arc.nasa.gov

 

UK Astrobiology Forum and Network

http://www.astrobiology.rl.ac.uk

 

The Astrobiology Web

http://www.astrobiology.rl.ac.uk

 

University of California Planet Search Project

http://exoplanets.org/

 

Darwin (ESA)

http://exoplanets.org/

 

ESA

http://www.esa.int/export/esaCP/index.html

 

NASA Ames Research Center

http://astrobiology.arc.nasa.gov/


 

 

DAS HERTZSPRUNG-RUSSELL DIAGRAMM

 

In einem Hertzsprung-Russell-Diagramm sind die Sterne entsprechend ihrer Spektralklasse und ihrer Leuchtkraft eingetragen. Der Leuchtkraft entspricht eine absolute Helligkeit, der Spektralklasse eine effektive Strahlungstemperatur. Es handelt sich damit um ein Zustandsdiagramm. Diese Darstellungsform wurde 1913 von dem amerikanischen Astronomen Henry Norris Russell gewählt, nachdem sein dänischer Kollege Einar Hertzsprung 1905 entdeckte hatte, dass es unter Sternen gleicher Temperatur Riesen und Zwergsterne gibt. Das Hertzsprung-Russell-Diagramm ist nicht gleichmäßig besetzt. Vielmehr ordnen sich die Sterne in bestimmten Gebieten oder „Ästen“ an. Die Mehrzahl der Sterne liegt auf einem relativ scharf begrenzten Ast, den man als Hauptreihe bezeichnet. Auch die Sonne ist ein Hauptreihenstern. Sterne entwickeln sich mit der Zeit und damit ändern sich ihre Werte für Leuchtkraft und effektive Strahlungstemperatur. Daher wandert der Bildpunkt im Hertzsprung-Russell-Diagramm im Laufe der Zeit: Er legt einen „Entwicklungsweg“ zurück.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schematische Darstellung eines Hertzsprung-Russell-Diagramms.

 

 

 
 
 
DIE DRAKE-GLEICHUNG

 

„Was müssen wir wissen, um Leben im Weltraum zu entdecken?“, fragte Frank Drake 1961. Wie kann man die Zahl technologischer Zivilisationen berechnen, die in unserer Milchstraße existieren? Während Dr. Frank Drake als Radioastronom am National Radio Astronomy Observatory in Green Bank, West Virginia, USA, arbeitete, hatte er 1961 die Idee, alle, für die Entwicklung solcher Zivilisationen eine Rolle spielenden Terme in einer Gleichung zusammenzufassen. Die Drake-Gleichung lautet:

 

Nciv = R* · fp · ne · fl · fi · fc · L

 

Hierin bedeuten Nciv die Zahl der kommunikativen Zivilisationen, R* die Bildungsrate infragekommender Sterne, fp der Anteil der Sterne mit Planeten, ne der Anteil der „Erden“ pro Planetensystem, fl der Anteil dieser Planeten, auf denen sich Leben entwickelt, fi der Anteil der belebten Planeten, auf denen sich intelligentes Leben entwickelt, fc der Anteil, auf denen sich technologische Zivilisationen entwickeln und L die Überlebensdauer technologischer Zivilisationen.

 

 

 

PARAMETRISIERTE KONVEKTIONSMODELLE

 

Zur Untersuchung der thermischen Entwicklung der Erde wurden parametrisierte Konvektionsmodelle für die Mantelkonvektion entwickelt. Mit ihrer Hilfe wird die zeitliche Änderung der mittleren Manteltemperatur unter der Bedingung der Energieerhaltung berechnet. Die mittlere Manteltemperatur hängt vom mittleren Wärmefluss und der Energieproduktionsrate durch den Zerfall radioaktiver Elemente im Mantel ab. Wenn sich der Erdkörper abkühlt, verringern sich seine Temperatur und der Wärmefluss, wohingegen sich die Mantelviskosität erhöht. Dieser so genannte Thermostateffekt entsteht sowohl durch die Temperaturabhängigkeit der Mantelviskosität als auch deren starker Abhängigkeit vom Anteil flüchtiger Bestandteile, wie Wasser und Kohlendioxid [4,5].  Die Abkühlungsrate des Erdinneren beträgt etwa 100 K pro eine Milliarde Jahre.

 

 


   
       
 
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