Berlin - Gut zwei Wochen vor der UN-Klimakonferenz in Durban hat sich der deutsche Klima- und Wirtschaftsexperte Ottmar Edenhofer pessimistisch zu den Erfolgschancen des Treffens geäußert. Positive Erwartungen an Durban habe er "keine", sagte der Vizechef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) am Freitag. Edenhofer sprach sich dafür aus, neue Wege jenseits der oft zähen UN-Verhandlungen zu suchen. Diese seien "ein Konstruktionsfehler". Experten warnten unter Verweis auf neue Daten, der Meeresspiegel dürfte bis Ende des Jahrhunderts um etwa einen Meter ansteigen.

"Man muss den Teilnehmerkreis der Verhandlungen verkleinern und die Verhandlungsgegenstände ausweiten", sagte Edenhofer. Er sprach sich für Gespräche im Kreis des von den USA initiierten Major Economies Forum (MEF) aus, das die wichtigsten Emittenten von Treibhausgasen repräsentiert. Verhandelt werden solle auch nicht mehr vorrangig über Emissionsgrenzen für Treibhausgase, was in den bisherigen Gesprächen gescheitert war, sondern über Technologiepolitik zugunsten der erneuerbaren Energien und den Abbau von Subventionen für fossile Energieträger, die Edenhofer für 2010 weltweit mit 409 Milliarden US-Dollar bezifferte. Weiteres Verhandlungsziel solle die Verknüpfung bestehender Emissionshandelssysteme sein.

Von den im bisherigen UN-Prozess erzielten Ergebnissen setzt Edenhofer besonders auf den "Green Climate Fund", in den derzeit jährlich zwölf Milliarden Dollar fließen sollen. Bis 2020 soll dieser Betrag auf jährlich 100 Milliarden Dollar steigen. "Wenn dieses Geld in vernünftige Anstrengungen zur Verringerung der Treibhausgase investiert würde, könnten damit im günstigsten Fall bis 2020 fünf Gigatonnen CO2 eingespart werden", sagte der Wissenschafter.

Steigender Meeresspiegel

Auf neue alarmierende Daten über die Folgen der Erderwärmung verwies der PIK-Klimaexperte Stefan Rahmstorf. "Es zeigt sich, dass die Realität die Modelle überholt", sagte er in Potsdam. Bei der Fläche des arktischen Meereises sei 2011 für den Juli ein neuer Negativrekord verzeichnet worden; die Dicke der Eisdecke sei viermal schneller geschrumpft als im Mittel der bisherigen Prognosen angenommen. Generell liege die Eismasse "weit unter den Modellen des Weltklimarats IPCC". Der gleiche Trend sei auch beim Festlandseis Grönlands zu verzeichnen.

Als Konsequenz aus der Eisschmelze dürfte der Meeresspiegel laut Rahmstorf bis 2100 weltweit je nach dem weiteren Verlauf des Klimawandels um 75 bis 190 Zentimeter ansteigen. Als mittlerer Wert sei ein Anstieg um rund einen Meter zu erwarten. Bereits heute werden demnach in der Deutschen Bucht, aber auch anderswo Rekord-Anstiegsraten des Meeresspiegels gemessen, zur Zeit im Mittel um rund drei Millimeter pro Jahr. Die mittlere Anstiegsprognose des IPCC bis Ende des Jahrhunderts hatte bisher bei 30 bis 40 Zentimeter weltweit gelegen.

Rahmstorf wies auch auf die zunehmende Häufung von Extremwetterereignissen hin. Zwar lassen sich einzelne Wetterkatastrophen wie die jüngsten Unwetter in Spanien, Südfrankreich und Italien nach Einschätzung von Wissenschaftern nicht direkt auf den Klimawandel zurückführen, ihre Häufung deckt sich jedoch laut Rahmstorf mit den mit der Erderwärmung verbundenen wissenschaftlichen Erwartungen. (APA/red)